Zusammenfassung
Oliver Kreis: Integrierte Fertigung
Verfahrensintegration durch Innenhochdruck-Umformen, Trennen und Laserstrahlschweißen in einem Werkzeug sowie ihre tele- und multimediale Präsentation
Zusammenfassung und Ausblick
Die Integration von Prozessen und die Verbindung innovativer Fertigungsverfahren bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verkürzung von Prozessketten bei gleichzeitiger Beibehaltung oder Erhöhung der Komplexität sowie der Bauteilqualität technischer Produkte. Dies ermöglicht die Erschließung von Einsparungspotenzialen durch die Reduzierung von Einzelprozessen.
Aus diesem Grunde wird in vorliegender Arbeit eine Vorgehensweise zur Modellierung von Prozessen und Prozessketten allgemein dargestellt und exemplarisch eine verkürzte Prozesskette zur Herstellung flächiger Leichtbauteile entwickelt. Als Demonstrator dient ein komplexes Hohlformteil aus DC04. Die Prozesskette besteht aus den Prozessen Vorformen mittels Innenhochdruck-Umformen (IHU), Trennen durch mechanisches Scherschneiden, Fügen mittels Laserstrahlschweißen und Ausformen/Kalibrieren durch IHU. Die Schwerpunkte der durchgeführten Arbeiten liegen in einer systematischen Analyse der Integration eines Laserstrahlschweißprozesses in einem Innenhochdruck-Umformwerkzeug, in seiner Optimierung und in der Ableitung allgemeingültiger Erkenntnisse.
Aufbauend auf systemtheoretischen Untersuchungen zur Modellierung von Prozessen und Prozessketten wird für den vorliegenden Anwendungsfall eine prozesstechnische Modellierung des Laserstrahlschweißens mit Betrachtung der Ein- und Ausgangsgrößen sowie eine systemtechnische Modellierung der Kinematik und der notwendigen Verfahrgeschwindigkeiten und Beschleunigungen der Roboterachsen durchgeführt.
In mehreren Phasen erfolgt eine Optimierung des Fügeprozesses in der verkürzten Prozesskette. Ein vertieftes, verallgemeinerbares Prozessverständnis wird durch systematische Untersuchung der relevanten Ein- und Ausgangsgrößen erarbeitet. Die durchgeführten experimentellen Untersuchungen weisen die prinzipielle Eignung des Laserstrahlschweißens zur Integration in einem IHU-Werkzeug nach. Damit ist auch ein externes Verschweißen von Bauteilen nach dem Umformen mittels IHU in einer konventionellen Prozesskette mit Wegfall eines vorgelagerten Nebenprozesses zur Bauteilreinigung zulässig. Die Möglichkeit der Integrierbarkeit einer Systemtechnik zum Laserstrahlschweißen in einem IHU-Werkzeug ist ebenfalls nachgewiesen. Hierzu dient in der vorliegenden Prozesskette ein Roboter mit zwei Linear- und zwei Rotationsachsen.
Allgemeine aussagekräftige Qualitätsmerkmale einer kontaminierten Schweißnaht sind maximale Zugkraft, Porenvolumen, Dichtheit und Umformbarkeit. Hierbei handelt es sich um Ausgangsgrößen des Fügeprozesses. Obwohl die Blechpaare durch den vorangehenden IHU-Prozess mit IHU-Medium und Schmierstoffen kontaminiert sind, lassen sich diese Qualitätsmerkmale durch eine geeignete Prozessführung so optimieren, dass eine hohe Nahtqualität sichergestellt werden kann. Die Eingangsgrößen des Fügeprozesses mit der höchsten Relevanz sind Vorschubgeschwindigkeit und Laserleistung. Die Vorschubgeschwindigkeit des Tool Center Points muss möglichst konstant sein. Dazu können bei komplexen Schweißbahnen Bahnplanungsstrategien wie Verschleifen kleiner Konturelemente oder Zulassen eines Anstellwinkels dienen. Bei zu hoher Vorschubgeschwindigkeit ist die maximale Zugkraft zu gering. Bei zu niedriger Geschwindigkeit dagegen führt die höhere Dynamik und Durchmischung des Keyholes zu einer starken Einbringung der Kontaminationen in Keyhole und Schmelze. Dies resultiert in einem drastischen Anstieg des Porenvolumens der Naht. Generell ist eine möglichst hohe Laserleistung zu applizieren, da dadurch ein Verdampfen und Ausgasen der Kontaminationen gefördert wird.
Eine besondere Schwierigkeit stellt die Optimierung des Qualitätsmerkmals Dichtheit dar. Insbesondere im Bereich der Nahtüberlappung, in dem eine zweifache Verschweißung der Bleche vorliegt, führen Kontaminationen zu Mikroporen, die in Undichtigkeiten resultieren können. Durch Verwendung möglichst niedrigviskoser Schmiermedien mit niedrigen Zersetzungstemperaturen und durch die Steuerung der Laserleistung mit einer Rampenfunktion kann eine Nahtüberlappung ohne Undichtigkeiten erzeugt werden. Gegebenenfalls müssen dafür eine niedrigere Einschweißtiefe und eine geringere maximale Zugkraft im Bereich der Nahtüberlappung toleriert werden.
Die durchgeführten Experimente zeigen, dass sich Schweißnähte aus DC04 gut umformen lassen. In Napfziehversuchen mit verschweißten Rondenpaaren ist eine Umformung mit einer Nahtverkürzung um 50 % ohne Versagen möglich. Somit ist ein Flanscheinzug bei einer Umformung nach dem Fügen prinzipiell zulässig.
In der exemplarisch realisierten Prozesskette liegt die optimale Vorschubgeschwindigkeit bei 3 m/min. Der eingesetzte Nd:YAG-Laser mit einer Nennleistung von 4 kW verfügt über eine so hohe Leistung, dass eine prozesssichere Verschweißung auch bei einem Anstellwinkel von bis zu 30° und einer Defokussierung von bis zu 3 mm möglich ist. Durch Einsatz eines mittelviskosen Schmierstoffes und durch die Steuerung der Laserleistung mit einer Rampenfunktion kann eine durchgängige Dichtheit der Naht im Bereich der Nahtüberlappung gewährleistet werden. Die Zeit für den Schweißprozess beträgt circa 20 s. Die Dauer der gesamten Prozesskette hängt im Wesentlichen vom eingestellten Innendruck ab und beläuft sich je nach Umformgrad auf 90-180 s. Die Ergebnisse der fügetechnischen Untersuchungen sind in einem Prozessfenster zusammenfassend dargestellt.
In einer methodisch-didaktischen Grundlegung wird eine Mediendidaktik skizziert. Diese dient als Grundlage für eine tele- und multimediale Präsentation der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit und ermöglicht so die Vermittlung des vorwiegend deklarativen Wissens in einem zeit- und ortsungebundenen E-Learning mit hoher Anschaulichkeit, Flexibilität und Lernwirksamkeit.
Ausblick
Ausblickend bleibt festzuhalten, dass die umformtechnische Fragestellung des Einflusses der Schweißnaht auf den IHU-Prozess, die nicht Thema der vorangegangenen Ausführungen ist, gesondert untersucht werden kann. Hierbei wäre zu prüfen, welche Synergieeffekte genutzt werden können, um die Ausformung der Bauteile im Hinblick auf Umformgrad und Bauteilgenauigkeit zu verbessern. So kann entweder ein höherer Innendruck ohne Undichtigkeit erzielt oder ein stärkerer Flanscheinzug zugelassen werden. Auch eine lokale Wärmebehandlung zur Erhöhung der Umformbarkeit vor oder zwischen den IHU-Prozessen ist denkbar.
Auf dem Gebiet der Modellierung wurden in einer engen Kooperation mehrerer beteiligter Lehrstühle bereits Einzelprozesse mit Neuronalen Netzen und Bayes-Netzen modelliert. In weiterführenden Arbeiten ist anzustreben, diese Modellierungen auf die gesamte Prozesskette zu erweitern und zusätzlich Fehlermöglichkeits- und Einflussanalysen (FMEA) durchzuführen.
Mit der vorhandenen integrierten Prozesskette kann in einer Wirtschaftlichkeitsbewertung untersucht werden, ob die integrierte Prozesskette mit den dargestellten innovativen Fertigungsverfahren ökonomische Vorteile gegenüber einer konventionellen Prozesskette bietet.
Im Bereich des E-Learning bietet sich an, zur Erhöhung der Lernwirksamkeit und zum verstärkten Aufbau von prozeduralem gegenüber deklarativem Wissen im Sinne einer Handlungsorientierung die Präsentation zu einem Tutorensystem oder zu einer interaktiven Simulation der Prozesskette zu erweitern.